Das Grand Resort Bad Ragaz hat sich als führendes Wellbeing & Medical Health Resort Europas positioniert. Auf dem Bürgenstock wurde soeben ein weiteres, spektakuläres Medical Wellness-Hotel eröffnet. Hotelexperten sind sich einig: Medial Wellness und der Gesundheitstourismus ganz allgemein sind ein Trend und ein Erfolgsrezept. Doch eignen sich Gesundheitskonzepte auch für kleine Privathotels?

 

Text: Hildegard Dorn-Petersen

Im Frühling 1912 kam der deutsche Romancier Thomas Mann erstmals nach Davos. Er besuchte seine Frau Katia, die im Wald-Sanatorium ein Lungenleiden kuriert hatte. Im Davos vor 100 Jahren traf sich am Vorabend des ersten Weltkriegs ein buntes Völkchen – vom Künstler bis zum Adeligen. Viele kämpften nicht nur sinnbildlich ums Überleben, sondern um ihr eigenes Gesunden. Dieses Milieu inspirierte Thomas Mann zu seinem 1924 veröffentlichten Roman „Der Zauberberg.“

Die Faszination des Zauberbergs wirkt noch heute nach – nicht nur in Davos. An zahlreichen anderen Orten der Schweiz sind im letzten Jahrhundert Kurhotels entstanden, die sich zu ihrer Zeit grosser Beliebtheit erfreuten, mittlerweile aber selbst kränkeln oder sogar schliessen mussten. Unverändert kommen immer noch viele Gäste in die Schweiz, um etwas für ihre Gesundheit zu tun, auch wenn sich die Anteile und Herkunftsländer der ausländischen Kunden durch die Freigabe des Frankenkurses im letzten Jahr deutlich verändert haben. 

Vorbild Grad Resort Bad Ragaz

„Es gibt im deutschsprachigen Raum immer mehr private Hoteliers und Investoren, die sich mit Gesundheitskonzepten positionieren wollen.“
Einem Leuchtturm der Schweizer Hotellerie konnte der Frankenschock wirtschaftlich nicht schaden. Das Grand Resort Bad Ragaz schrieb 2016 zum vierten Mal in Folge schwarze Zahlen und konnte den Gewinn um einen Viertel steigern! Es zahlt sich offensichtlich aus, dass sich das Resort frühzeitig als „führendes Wellbeing & Medical Health Resort Europas“ positioniert hat. Der Erfolg basiere auf zwei tragenden Säulen, erklärt Peter P. Tschirky, bis Ende 2017 CEO des Resorts: dem Grand Resort, in dem das SPA ein wichtiger Bestandteil ist, und dem Medical Health Center. Man praktiziert in Bad Ragaz eine strikte Trennung von Hotellerie und Medizin.

95 Prozent Auslastung – dank Medical Wellness
Ganz anders sieht das der Hotelier Christian Lienhard. Ihm wurde in Davos etwas vom „Zauberberg“ in die Wiege gelegt. 1994 kam er ins Appenzellerland und baute in rund 22 Jahren das „Hotel Hof Weissbad“ auf. Lienhard machte daraus eines der besten und erfolgreichsten Schweizer Hotels: 95 bis 98 Prozent Auslastung, 75 Prozent Stammgäste, über 20 Millionen Franken Jahresumsatz. Eindrücklichen Zahlen. Besonders stolz ist der Vollblut-Hotelier darauf, dass von 187 Mitarbeitern 120 aus der Region stammen. Aus Überzeugung führt er das Haus, das 87 Zimmer und Juniorsuiten hat, gemeinsam mit einem Kader-Team und flacher Hierarchie. Fast überflüssig zu erwähnen: der Franken-Crash von 2015 ist an „Hof Weissbad“ unbeschadet vorbeigegangen, denn 96 Prozent der Gäste kommen aus der Schweiz, davon rund 60 Prozent aus dem Grossraum Zürich.

Hotel und Medizin gehen Hand in Hand…
Das von Christian Lienhard und seinem Team entwickelte Gesundheitskonzept ist zeitlos und innovativ zugleich – und deshalb so erfolgreich. Zum ganzheitlichen Ansatz gehören Ernährung, Bewegung und Entspannung, aber auch gelebte, traditionelle Werte und die Einbindung der Angebote in die Region. Hier gehen Hotel und Medizin unter einem Dach Hand in Hand. Neben dem Hotel gehört zu „Hof Weissbach“ ein Privatspital mit 18 Zimmern, insbesondere für orthopädische Rehabilitation. In diesem Gesundheitszentrum wirken ein Chefarzt, drei weitere Ärzte und ein Team von rund 60 Mitarbeitern.

Medical Wellness für kleine Privathotels?
Was aber können kleinere Hotels tun, die mit präventiven Angeboten etwas für die Gesundheit ihrer Gäste tun wollen? Sie haben laut Christian Lienhard „eine gute Chance, denn sie können schnell reagieren und entscheiden.“ Wichtig sei, so Lienhard, das richtige Commitment: „Nur wer sich konsequent für eine Zielgruppe entscheidet, wird gewinnen.“ Weniger ist in diesem Fall mehr. Hilfreich kann es sein, auf Kooperationen zu setzen. Dies reicht vom Arzt vor Ort, der nach seiner Sprechstunde noch Hotelgäste betreut, bis hin zur Zusammenarbeit einiger Hotels am Standort, die sich im Angebot ergänzen und am Markt gemeinsam auftreten.

Hof Weissbad: Erfolg dank Gäste-Mix
Für Christian Lienhard ist es der Gäste-Mix, der den Erfolg von „Hof Weissbad“ ausmacht: Kurgäste, die länger bleiben, dazu kleinere Seminare und Wellnessgäste an Wochenenden. Das Haus ist der einzige zertifizierte F.X. Mayr-Betrieb in der Schweiz, doch die Programme sind rund ums Jahr auf maximal zwölf Teilnehmer begrenzt. Was Lienhard, der passionierte Hotelier, nicht mag: Stillstand. Im Januar 2017 werden alle Zimmer und Bäder sowie die Hotelhalle in nur sieben Wochen renoviert. Investitionssumme: 12 Mio. Franken. Lienhard plant zudem für rund 50 Millionen Franken ein neues Wellness-Zentrum mit 25 Junior-Suiten.

Neue Medical Wellness-Oase in Oberbayern
Es gibt im deutschsprachigen Raum immer mehr private Hoteliers und Investoren, die sich mit Gesundheitskonzepten positionieren wollen. Ein gutes Beispiel ist das „Premium Hotel & Health Resort Klosterhof“ in Bayerisch-Gmain. Die kleine Gemeinde liegt zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden, ganz in der Nähe von Salzburg. Das Haus mit 65 Zimmern und Panorama-Suiten vor malerischer Bergkulisse wurde am 1. Juli 2016 eröffnet. Die Inhaber Henrike und Dr. Andreas Färber haben sich vor drei Jahren zur Realisierung ihrer Vision entschieden – und seitdem 19 Millionen Euro in das Projekt Klosterhof investiert. Schon vor 500 Jahren hatten die Augustiner-Mönche des Klosters St. Zeno diesen Kraftplatz für ihre Ökonomie genutzt. Die Einbettung in die Natur sowie heimische Elemente wie die Schindelfassade spielen hier eine grosse Rolle. Wie auch in „Hof Weissbad“, setzt man vor allem auf Mitarbeiter und Kooperationspartner aus der Region.

Kunst, Kultur und Gesundheit
„Begeisterung leben“, lautet das Motto der Hoteliers im bayerischen Gmain. Sie bauen ihr Konzept auf drei Säulen auf: Premium und anders als die anderen, Kunst & Kultur – und Gesundheit. „Artemacur“ ist der Name für die übergeordnete Philosophie. Sie steht, dem Lateinischen entlehnt, für die Kunst zu heilen und – ebenso wichtig – für die Kunst, sich für das eigene Wohl zu engagieren. Ganz bewusst wird auch die bildende Kunst in das Konzept einbezogen.

„Nur wer sich konsequent für eine Zielgruppe entscheidet, wird gewinnen.“
Mit der von ihm entwickelten Konzept-Medizin will Dr. Färber für seine Gäste individuelle Programme erarbeiten, die individuelle Lebenssituation und Entwicklungspotenziale einbinden. Seine Karriere hat Färber als Lungenarzt in der Entwicklungshilfe begonnen. Seine Dissertation wurde 2008 von der Deutschen Lungenstiftung ausgezeichnet. Vielleicht ist es Zufall, dass die Veröffentlichung in der Jubiläumsausgabe „10 Jahre Deutsche Lungenstiftung“ mit eine Filmplakat des „Zauberbergs“ betitelt ist.

 


DIE AUTORIN: Hildegard Dorn-Petersen ist eine der renommiertesten Expertinnen für Wellness-Fragen in der Hotellerie. Sie verfügt über eine fundierte Ausbildung und langjährige Berufserfahrung im Hotelfach. Sie ist seit 1996 Mitglied im Deutschen Wellness Verband und erhielt als eine der ersten Expertinnen die Zertifizierung als „Autorisierter Consultant“ (DWV). Sie gehört auch dem Vorstand des internationalen Beraterverbandes FCSI an und ist Autorin für Wellness-Fragen auf der Online-Plattform Hotel-Insider.ch